WIE EIN ABENTEURER MIT MONOTONIE UMGEHT – DER EXTREMSPORTLER JONAS DEICHMANN VERARBEITET SEIN IRONMAN-PROJEKT

In drei Wochen wird Jonas Deichmann wieder zum Abenteurer. Innerhalb von 48 Stunden will er Sri Lanka mit dem Velo durchqueren, 612 Kilometer vom nördlichsten bis zum südlichsten Punkt, und das ohne Geld.

Seit 2017 ist der Deutsche Profi-Abenteurer. Seine Projekte führten ihn monatelang laufend, Rad fahrend und schwimmend um die Erde oder vom Nordkap zum Kap der Guten Hoffnung. Und nun: eine Herausforderung über zwei Tage? Das liegt an Deichmanns Plan für das Jahr 2025, das er mit einer Menge «Mikro-Abenteuern» füllen will. Jeden Monat bestreitet er irgendwo einen Langdistanztriathlon, begleitet von allen, die mitmachen möchten. Und einmal im Monat stellt ihm sein Freund und gelegentlicher Begleiter seiner Abenteuer, Marc Bernreuther, eine Aufgabe, die er bewältigen muss – und umgekehrt. Sri Lanka ohne Geld zu durchqueren, wird am 1. Januar die erste sein.

Deichmann kehrt damit zum Nervenkitzel der Abenteuer zurück, nachdem er 2024 die ultimative Herausforderung im Hochleistungssport gesucht und gefunden hatte: Zwischen Mai und September absolvierte er 120 Triathlons über die Ironman-Distanz an ebenso vielen Tagen. Täglich schwamm er 3,8 Kilometer, fuhr 180 Kilometer Velo und lief 42,195 Kilometer ohne einen Tag Pause, immer auf derselben Strecke im Triathlon-Mekka Roth in Deutschland.

Wenn das Essen zur Qual wird

In seinem kürzlich erschienenen Buch «Weil ich es kann!» blickt der 37-Jährige auf sein Weltrekordprojekt zurück, das anders war als alle davor: Neben der Arbeit mit einem Team war vor allem die Monotonie etwas Neues. Deichmann beschreibt im Buch verschiedene Bereiche, in denen er sich phasenweise mit Eintönigkeit auseinandersetzen musste. Etwa als er um den 50. Tag herum die Lust aufs Essen verliert. Er muss täglich 10 000 Kalorien zu sich nehmen, damit sein Körper während der gesamten Challenge leistungsfähig bleibt.

Jede Banane, jeder Riegel und jedes Gel sind genau geplant. «Ich weiss um ihre Wirkung, also schlucke ich sie runter. Aber sie sind süss», schreibt Deichmann. Alles süss, immer wieder süss. Auch wenn es mittags und abends etwas «Richtiges» gibt: «Inzwischen zwinge ich mich zum Essen.»

Langweilig wird Deichmann gegen Ende auch die Radstrecke, da er mit der Zeit «jeden Kanaldeckel» kennt. Beim Marathon läuft er im Pulk seiner begeisterten Mitstreiter, die jeden Tag mehr werden, doch auf dem Zeitfahrvelo fährt er aus Sicherheitsgründen vorneweg – und verzichtet damit auf jegliche Unterhaltung.

In solchen Momenten greift Deichmann auf seine bewährte Methode zurück: Er zerlegt grosse Ziele in kleine Schritte. Täglich arbeitet er sich von Wegmarke zu Wegmarke oder rechnet sich tagesübergreifend Meilensteine des Projekts aus: An Tag 88 wird er 20 000 Kilometer geschafft haben, am 94. Tag die 4000-km-Marke bei den Marathons erreichen und so weiter.

Gewissermassen hat auch Deichmanns Körper die 456 Kilometer Schwimmen, 21 600 Kilometer Velofahren und 5063 Kilometer Laufen als monoton erlebt: Alle Gesundheitschecks nach dem Projekt ergaben normale Werte. Selbst gegen Ende der Challenge steckte sein Körper die enorme Belastung so gut weg, dass der CK-Wert nicht anstieg. Dieser Wert zeigt an, wenn die Skelettmuskulatur irgendwo im Körper beschädigt ist, wie das bei gewöhnlichen Sportlern bereits nach einem einzelnen Ironman passiert.

Für den Sportpsychologen Dino Poimann ist Deichmanns Neugierde der Grund dafür, dass dieser die Monotonie nicht als grosse Belastung empfunden hatte. Deichmann schöpft seine Motivation nicht vorwiegend aus dem Erreichen des Weltrekords, wie er im Buch schreibt, sondern etwa auch aus der Neuheit der Herausforderung und der lustvollen Aufregung angesichts des für die meisten von uns Unvorstellbaren.

Deichmann will sich keiner noch härteren körperlichen Herausforderung stellen. Lieber wendet er sich wieder dem Unplanbaren zu – die Welt bietet einfach zu viel Aufregendes.

«NZZ Live»-Veranstaltung: Jonas Deichmann – im Kopf eines Extremsportlers

Am 22. Januar 2025 ist Jonas Deichmann, Extremsportler und Abenteurer, zu Gast bei «NZZ Live». Im Gespräch gibt er exklusive Einblicke in sein Leben und erzählt von Höhen und Tiefen, von seinem Antrieb und seiner Motivation, die ihn Unmögliches möglich machen lassen. Tickets unter nzz.ch/live

2024-12-09T04:47:15Z