ABENTEUER WAGEN IM RENTENALTER: WENN NICHT JETZT, WANN DANN?

Die Algarve und mein jüngster und vermutlich erster und letzter Besuch dort waren auch eine kleine Enttäuschung. Wird es also noch einmal Portugal, dann vermutlich eher die Westküste und das Landesinnere. Weil hier einfach nicht alles so zugebaut ist: Auf Bettenburgen und die Betonwüste stehe ich nämlich nicht. Das sind dort aber nicht nur Hotelanlagen, viele ältere Deutsche, Engländer und andere haben sich schon seit Jahren kleine Appartements zugelegt, verbringen hier ihre letzten Lebensjahre, nicht nur den Winter, sondern das ganze Jahr. Sonne, Licht, Unbekümmertheit und anderes locken.

Fahre ich in den Urlaub, reizen mich neben Wetter, Strand, fremdem Essen und Kultur auch immer die Menschen. Die Portugiesen und die, die sich da sonst noch rumtreiben. So bleibt Heinrich der Seefahrer mir aus dem letzten Urlaub einfach in guter Erinnerung. Nachhaltig – denn er brachte mich zum Nachdenken und das hält noch immer an. Nicht der sogenannte „O Navegator“, also Heinrich der Seefahrer, der 1394 in Porto geboren wurde und Schirmherr und Auftraggeber der portugiesischen Entdeckungsreisen war – und damit maßgeblich an der europäischen Expansion beteiligt. Das ist Schulwissen oder vielmehr das, was ich im Internet aufgefrischt habe.

Was sollte ich im Alter nicht mehr länger auf die lange Bank schieben?

„Mein“ Heinrich hat früher in Bremen gelebt, er organisierte beruflich über Jahre als Skipper Segeltörns, um sich im letzten Jahr selbst ein Segelboot zu kaufen. Da saß er in einem kleinen Café am Meer, braungebrannt, hager, die Bekleidung lässig abgeranzt und bevor er seine Sonnenbrille abnahm, hätte ich ihn auf 60 Jahre geschätzt. An seinen Augen war sein wahres Alter dann eher abzulesen: 71 Jahre. Obwohl viel Leben sich wach in ihnen widerspiegelte.

Heinrich ist kontaktfreudig und aufgeschlossen, meine Partnerin und ich auch, und schnell kamen wir ins Gespräch. Die Verwirklichung von Lebensträumen wurde schnell der rote Faden unserer Unterhaltung. Was sollte ich im Alter nicht mehr länger auf die lange Bank schieben, wonach sehne ich mich, was ist wichtig? Weil wir mit 71 Jahren, ich selbst bin 67, eben endlich sind. Weil unsere Zeit dabei ist, abzulaufen.

„Ich bin doch für meine Träume und mein Leben verantwortlich, gerade im Alter. Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Letztes Jahr hatte sich Heinrich das eigene Segelboot zugelegt, es behaglich, vorwiegend aber zweckmäßig ausgestattet und schipperte von Bremen über Monate bis nach Portugal. Die kleine Bucht hier ist geschützt, die großen Unwetter ziehen vorbei. Heinrich lebt nun auf seinem Boot. Präziser: Am Tag ist er überwiegend an Land. Er kocht und isst regelmäßig in der kleinen Kombüse und verbringt auch seine Nächte in der eher engen Koje.

Genügend Mut, sich treiben zu lassen, hat er wohl

Geld hat Heinrich eher in überschaubarem Rahmen, die Lebensmittel in Portugal aber sind wirklich preiswerter als in Deutschland. Und er kommt gut damit aus. Ein Mensch, der glücklich scheint und in sich ruht. Heinrich möchte hier den Winter verbringen, im späten Frühjahr dann soll es weitergehen. Das könnten die Kanarischen Inseln werden oder auch ein anderer Ort. Genügend Mut, sich treiben zu lassen, hat er wohl.

Meine Freundin war begeistert, das hat ihr alles gefallen, wäre eine Alternative für sie. Nur ist Maria ein paar Jahre jünger als ich, noch fern des Lebensabends. Vielleicht steht vorher ja doch noch anderes an? Träume aber sind erlaubt und wichtig, halten unsere Seelen wach, geben Perspektiven und Kraft.

Aber nicht Träume alle sollten nur Schäume bleiben, wie der Volksmund manchmal abgestumpft und langweilig sagt. Ich habe auch nachgedacht und nachgefragt, was nicht mehr auf die lange Bank geschoben werden sollte? Oft ist diese nämlich kürzer als uns lieb ist. Schreiben Sie mir bitte, was Sie noch antreibt, unruhig hält: [email protected]. Sie lesen hier dann bald mehr davon.

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2024-11-15T04:49:15Z