Die alljährlichen »52 Places to Go« der »New York Times« sind für Reisende ein echter Januar-Lichtblick: Hier geht’s in die Ferne, vor die europäische Haustür – und auf einen Bunker.
Wenn man genau hinschaut, hat der Januar viel Vorfreude und Licht zu bieten – etwa in Form von Reiserankings und Trendzieltipps. Eine der prominentesten Listen: die »52 Places to Go«-Empfehlungen der »New York Times« (»NYT«). Bereits zum 20. Mal stellt die US-amerikanische Tageszeitung 52 spannende Reiseziele für das neue Jahr vor, für jede Woche eines. Als Ranking will die Jury ihre 52 Reisetipps nicht verstanden wissen. »Wir wählen zwar eine Nummer eins«, schreibt »NYT«-Autor Tariro Mzezewa. Aber bei den anderen 51 Tipps bestehe keine Reihenfolge. Und warum auch? Die Auswahlkriterien sind vielfältig, und vergleichen lassen sich Reiseziele ohnehin schlecht.
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Scrollend tauchen wir ab mit den Schildkröten bei den Galapagosinseln. Der indische Bundesstaat Assam oder Angola im Südwesten Afrikas: spannend! Aber auch in Europa liegen viele Empfehlungen der Jury:
Auf den ersten Platz hat es ein Ort geschafft, der streng genommen gar keiner ist: »Jane Austens England«. Für Fans der britischen Schriftstellerin, die der Welt Literaturklassiker wie »Stolz und Vorurteil« und »Emma« hinterlassen hat, gebe es dieses Jahr gute Gründe, um an die Südküste Englands zu reisen. Hier sind anlässlich ihres 250. Geburtstags Festivals und Kulturhighlights geplant, etwa eine »Jane Austen Country Fair« in der Grafschaft Hampshire, wo Austen 1775 geboren wurde. Man kann dort das Jane Austen’s House besichtigen oder in Southampton ins Mayflower Theatre gehen, um die Show »Pride and Prejudice* (*Sort Of)« sehen und dabei in Gedanken an den Beginn des 19. Jahrhunderts zurückreisen.
Ein großes Jubiläum zelebriert auch Amsterdam dieses Jahr: Die Stadt wird 750 Jahre alt und will das mit Hunderten von Events feiern, unter anderem mit einem 15 Kilometer langen Straßenfest im Juli. Wohl oder übel werden also noch mehr Touristinnen und Touristen Amsterdam ansteuern – als wäre die Stadt nicht ohnehin schon einer der Overtourism-Hotspots Europas.
Umso erfrischender ist, dass die »NYT« parallel auch eine niederländische Stadt empfiehlt, die nur 45 Minuten mit dem Zug von Amsterdam entfernt ist: Rotterdam beheimate eine »schimmernde und moderne« urbane Landschaft mit weniger Touristen und einer kreativen Energie, die greifbar sei. Die Stadt mit dem größten Hafen Europas wolle sich in den nächsten Jahren in ein kulturelles Zentrum von Weltklasse verwandeln, heißt es. »Die Renaissance ist im Katendrecht-Viertel bereits in vollem Gange.« Das neue Fenix Museum sei nur ein Beispiel. Es befasst sich eigenen Angaben zufolge als erstes Museum der Welt via Kunst mit Migrationsgeschichten.
Ein neues Museum ist auch der Grund, warum sich ein Besuch im norwegischen Kristiansand lohnen könnte: das Kunstsilo in einem alten Getreidespeicher. Weitere Tipps für die Küstenstadt im Süden des Landes: der Fischmarkt und die vorgelagerte Insel Odderøya mit ihren Galerien und Cafés.
Auch eine deutsche Stadt taucht in der Liste der »52 Places to Go« auf: Hamburg. Grund für die Nennung ist der begrünte St.-Pauli-Bunker. »Die klobige Betonstruktur schützte 25.000 Einwohner, als die Stadt 1943 von den Alliierten bombardiert wurde«, schreibt Elaine Glusac, eine der Jurorinnen. Nun, nach einer fünf Jahre dauernden Renovierung, sei sie eine Attraktion mit einem Dachgarten, einem Hotel, Restaurants und einem Gendenkort für Naziopfer. Ein Pfad führt über fünf Stockwerke außen rund um den Bunker.
In die Liste geschafft haben es auch Stockholm mit seinem Archipel und Grönland mit seinen Gletschern, Fjorden und der Möglichkeit, Nordlichter zu sehen. Mit dabei ist auch Flow Country in Schottland. Das Torfland wurde im vergangenen Jahr von der Unesco zum Welterbe gekürt. »Ja, ein Moor wird nun in einem Atemzug genannt mit dem Grand Canyon und dem Great Barrier Reef«, schreibt die »NYT« etwas überrascht. »Das erste Moor, das die Unesco-Auszeichnung bekam, ist einer der weltgrößten Kohlenstoffspeicher, was es zu einem Schlüssel im Kampf gegen den Klimawandel macht.«
Was daran sehenswert ist? Es sei die Heimat einer vielfältigen Tierwelt. »Und die Region hat vor, ein Reiseziel daraus zu machen.« Sei es für Volunteering, fürs Wandern oder Radfahren. Einige Pfade gebe es schon, die im Zickzack zwischen den Aussichtspunkten verliefen. Es gebe auch Besucherzentren und Museen mit Geschichts- oder Umweltfokus. Kleine Warnung: »Bereiten Sie sich auf etwas Raues vor.« Die Landschaft liege weit entfernt von fast allem und sei nicht auf Massentourismus ausgelegt.
Lust auf Natur bekommen? Dann ab in die Dolomiten. Dort gibt es mit dem Cammino Retico einen neuen Weitwanderweg. 170 Kilometer ist er in etwa lang, sieben Tage dauert das Erlebnis auf den Spuren der Menschen, die hier früher, lange vor den Römern, lebten. Der Wanderweg schlängele sich durch verlassene Landschaften der Regionen Südtirol und Veneto, schreibt die »NYT«. Er verbinde Fußpfade und Bergstraßen und richte sich an Menschen, die nachhaltig reisen wollten – und vor allem an Orte, die bisher nur von wenigen angesteuert würden.
Diese Idee könnte auch dafür gesorgt haben, dass Coimbra und nicht Lissabon in der Liste auftaucht. Portugals »mittelalterliche Stadt voller Seele« am Ufer des Flusses Mondego sei zwar eine »Bastion der Tradition«, liefere aber eben auch »das neue Cool«, urteilt die »NYT«. Ja, man könne Kaffee trinken im eleganten Café Santa Cruz und Fado hören. Oder sich beim Retroshopping vergnügen, in schicken neuen Hotels absteigen, vegetarisch essen gehen oder sich ein Tattoo stechen lassen.
Ihr 20. Listenjubiläum nimmt die »NYT« zum Anlass zurückzublicken: auf die Anfänge in den frühen Nullerjahren, als Reisende noch ohne Smartphones, ohne Instagram und Google Maps unterwegs waren. »Gut möglich, dass sie Reiseschecks (oder zumindest Bargeld) dabeihatten. Overtourism und Nachhaltigkeit kamen in Gesprächen nicht vor. Airbnb war noch kein Unternehmen, geschweige denn ein Verb«, schreibt die Zeitung. In den vergangenen zwei Jahrzehnten habe sich das Reisen drastisch verändert. 2023 habe die United Nations World Tourism Organisation weltweit 1,3 Milliarden Ankünfte gezählt. 2005 waren es 806 Millionen.
Auch aus dem eigenen Archiv hat die Zeitung beachtliche Zahlen hervorgeholt: So hat die »NYT« in ihren alljanuarlichen Reiseausblicken 145 Länder empfohlen, hat alle sieben Kontinente abgedeckt. 155-mal waren sie ein Heimspiel für US-amerikanische Ziele, 29-mal hat Italien die Jury überzeugt, Frankreich 28-mal. Und – wie passend: 52 Länder haben es bisher noch nie auf die »52 Places to Go«-Liste geschafft.
Sie suchen noch mehr Inspiration? Hier finden Sie unsere Artikel über die »NYT«-Reiseempfehlungen der vergangenen Jahre:
2024: Was Dresden und die Westmännerinseln gemeinsam haben
2023: Das sind die spannendsten Urlaubsziele des Jahres
2022: Auf in eine andere Welt!
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2025-01-07T16:17:44Z