REISETIPP FINNLAND: DER NATUR GANZ NAH - MIT DEM EINZIGEN INDIGENEN VOLK EUROPAS

Nächte, die zum Tag werden und Waldbaden in ursprünglicher Natur: Der Norden Finnlands lädt zum Draußensein ein.

Es ist schon nach Mitternacht, doch der Körper will das nicht glauben. Auch wenn sich die Sonne hinter den Wolken versteckt, so ist es noch taghell in dieser Julinacht in Finnlands Norden. In Lappland wird es während der „nächtelosen Nächte“ nie so ganz dunkel. Für Mitteleuropäer ist das ungewohnt. Doch wenn man noch nicht schlafen kann, gibt es immerhin die Möglichkeit, Finnlands Natur ausgiebig kennenzulernen.

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Besucher werden schnell merken, dass die Finnen ihre Funktionskleidung auch wirklich nutzen. Ein Sommerurlaub in Lappland findet größtenteils draußen statt. Die Liebe zur Natur geht so weit, dass es im Süden Lapplands jedes Jahr eine Weltmeisterschaft im Umarmen von Bäumen gibt. Auch Minna Kataja geht regelmäßig mit ihren Gästen waldbaden. Ein Waldstück nahe Ivalo, direkt neben ihren selbst gebauten Holzhütten, ist ihre Heimat.

Ihre Gäste kosten dann Birkenblätter, riechen an Wacholdersträuchern und hangeln sich rückwärts an den Baumstämmen entlang. „Schon meine Mutter ist immer in den Wald gegangen, wenn sie aufgebracht war“, sagt Kataja. Viele gläubige Finnen fühlen sich zwischen Bäumen und Sträuchern Gott näher. Nach dem Waldbad zündet Kataja ein Feuer an und serviert selbst gemachten Tee aus Weidenröschen. Bei dem Regenwetter, das sich das erste Mal seit Langem über die Region gelegt hat, tut das besonders gut.

Ein magischer Moment in den Wäldern Lapplands

Innehalten kann man auch in der Sauna, die es – ganz dem Klischee entsprechend – an jeder Ecke gibt. Auf den Holzbänken kommt der Körper das erste Mal so richtig ins Schwitzen, denn finnische Sommer sind anders als in Deutschland selten wärmer als 25 Grad. Perfekte Temperaturen für ausgiebige Wandertouren, herausfordernde Fahrten mit dem E-Bike oder rasante Bootstrips.

So wie mit Nils-Heikki Paltto, der etwa eine Autostunde von Ivalo entfernt im größten Nationalpark Finnlands, dem Lemmenjoki, lebt. Auf dem gleichnamigen Fluss stößt Paltto sein Boot routiniert vom Steg, schmeißt den Motor an und lenkt die blaue Holzschale schweigend aufs Wasser. Der Fluss ist fast so breit wie ein See und ein wahres Paradies für Vogelbeobachter. Das Wasser rauscht vorbei an grünen Ufern und vereinzelten Holzstegen, kilometerweit ist kein Haus zu sehen. Niels kennt jede Kurve und Insel auswendig. „Hier habe ich meine Kindheit verbracht“, ruft er gegen das aufpeitschende Wasser.

Ansonsten sagt der wortkarge Same nicht viel. Doch als man ihn in einer Pause im Wald nach Joik, dem Gesang seines Volkes, fragt, bewegen sich Palttos Lippen von ganz allein. Lang gezogene Töne schweben zwischen den Kiefern, mal lauter, mal leiser. Ein magischer Moment. Für Joik braucht man keine Noten, auch der Text ist in den Köpfen verankert.

Die Samen sind Europas einziges indigenes Volk

Der Rentierhirte fährt im Sommer, wenn die Tiere im Wald sind, mit seinem Boot zu kleinen Nebenströmen des Lemmenjoki , um Gold zu suchen und die kleinen Stücke den Touristen als Andenken mitzugeben. Der wahre Wert des Lemmenjoki liegt für Nils und seine Familie aber nicht im Gold, sondern in der Natur. Hier sammeln sie Holz für Lagerfeuer und ihr Kunsthandwerk, suchen Beeren, angeln oder genießen einfach nur die Ruhe. An diesem nördlichen Zipfel Europas, weit über dem Polarkreis, sind die Menschen besonders mit ihrer Umwelt verbunden.

Die Palttos leben seit Jahrzehnten im Lemenjoki und legen viel Wert auf ihre samische Kultur. Mutter Kaija gibt Filzkurse und kümmert sich um die traditionelle Garderobe der Familie. Dazu gehört ein Hut, ein Gewand in den Familienfarben und mit eigenen Mustern sowie Schuhe aus Rentierleder.

Mehr davon sehen Besucher im Siida-Museum in Inari. Ausstellungsstücke, Videos und wiederhergerichtete Holzhütten erzählen über das früher vorwiegend nomadisch geprägte Leben der Samen. Bis zu seiner Zerstörung während des Zweiten Weltkriegs war Inari ein Zentrum der samischen Bevölkerung. Heute wird in Siida zum zeitgenössischen Leben der Samen geforscht, die auch in Norwegen, Schweden und Russland leben. Sie sind Europas einziges anerkanntes indigenes Volk.

An anderen Flecken Nordlapplands erkennen Touristen kaum, wer welche Wurzeln hat, denn Finnen und Samen leben Seite an Seite, so wie in der Gemeinde Utsjoki, wo die Bäume niedrigen Sträuchern weichen. Die gelb und rot gestrichenen Holzhäuschen mit den weißen Verandas auf der bunt blühenden Wiese erinnern an ein finnisches Bullerbü. Nebenan können Besucher in gut erhaltenen Hütten sehen, wie einfach die Samen früher gelebt haben, bevor sie weiter zu Flüssen oder Wäldern zogen.

Nächtelose Nächte im nördlichsten Dorf der EU

Heute sind sie sesshaft, viele leben aber immer noch vom Fischen oder der Rentierzucht. Doch weil die Lachspopulation stark sank, hat die finnische Regierung für den Teno-Fluss an der Grenze zu Norwegen, einen der beliebtesten Angelorte, vor zwei Jahren ein Fischereiverbot ausgesprochen. Seitdem bleiben die Angelgäste in der Region aus.

Finnland ist flächenmäßig mit Deutschland vergleichbar, hat aber nur 5,5 Millionen Einwohner und mehr als doppelt so viele Nationalparks wie Deutschland. Das wirtschaftliche Leben spielt sich größtenteils im Süden ab, während die rund 147.000 Menschen in Lappland vom Tourismus abhängig sind. Die Corona-Pandemie und das Wegbleiben der Angeltouristen hat das Geschäft von Hoteliers wie Petr Valle in Utsjoki auf den Kopf gestellt. Er versucht nun, statt Anglern Hochzeitspaare und Gäste aus Übersee an den Teno-Fluss zu locken.

Noch weiter im Norden hat Marjetta Hekkanen das Feriendorf ihrer Eltern übernommen. Hier in Nuorgam, dem nördlichsten Dorf der EU, hat man schon vor den Krisen Wochenpakete für Aktivurlauber angeboten, die über das Angeln hinausgehen. Sie nutzen den Fluss für Boots- und Paddelfahrten. Im Winter fahren die Hekkanens mit dem Schneemobil über den Teno. „Man erkennt die Landschaft dann kaum wieder, alles ist weiß“, sagt Marjettas Mann Raimo. Allerdings wird es auch kaum hell. Deswegen genießen sie jetzt noch die Nächte, die keine sind.

Camper-Paradies

  • Anreise: Dank des Jedermannsrechts ist Lappland ein Paradies für Camper. Von Dresden sind es gut 2.600 Kilometer. Wer nicht so weit fahren will, kann von Berlin neuerdings ganzjährig mit Umstieg in Helsinki in knapp drei Stunden nach Ivalo fliegen, oder direkt von Düsseldorf.
  • Vor Ort: Ein Auto ist praktisch, um die weiten Strecken zurückzulegen. In Ivalo gibt es Mietwagen. Vorsicht vor den Rentieren, die sich vor den Moskitos im Wald an die Straße flüchten. Empfehlenswert ist eine Schlafmaske, um der Helligkeit zu trotzen.
  • Tanken: Ein Liter Benzin kostet etwa 1,80 Euro, Diesel etwas weniger.
  • Geld: Auch in kleinen Orten ist Kartenzahlung möglich. In Restaurants ist es oft etwas teurer, in Supermärkten gibt es kaum Unterschiede zu Deutschland. (500 Gramm Spaghetti für 1,69 €, ein halber Liter Milch für 79 Cent)
  • Die Reise wurde unterstützt von Visit Finland.

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