Weltweit haben immer mehr Orte mit Overtourism zu kämpfen und überlegen sich neue Strategien, um nicht Saison für Saison von den Massen überrannt zu werden. Auf der einen Seite bringen Touristinnen und Touristen zwar Geld in die Region, auf der anderen Seite schaden sie aber der Umwelt. Denn wo viele Menschen sind, da ist meist auch viel Müll. Und der bleibt, auch wenn die Reisenden längst fort sind.
So schön das Entdecken anderer Länder und Kulturen auch ist, so schädlich kann es für unsere Umwelt sein. Erdbeben, Dürren, Starkregen und Überflutungen sowie Waldbrände sorgen in vielen Teilen der Welt für immer größere Probleme – das hat uns das Jahr 2024 erneut deutlich vor Augen geführt. Und daran ist der Tourismus nicht ganz unschuldig.
Laut einer Studie der University of Sydney ist der weltweite Tourismus für den Ausstoß von 8 Prozent aller klimaschädlichen Treibhausgase verantwortlich. Gerade der Overtourism an beliebten Reisezielen ist ein Problem für unsere Erde. Deshalb erstellt das US-amerikanische Reisemagazin „Fodor’s“ jährlich eine sogenannte „No List“ mit Orten und Regionen, die Reisende 2025 lieber meiden sollten.
Die Liste versteht sich nicht als Reisewarnung oder Boykottaufruf für bestimmte Destinationen. Sie will vielmehr ein Denkanstoß sein, Reisepläne zu überdenken und nachhaltigere Ziele anzusteuern. Für die aufgelisteten Orte wünscht sich „Fodor’s“ mehr Ruhe – weil die Natur eine Pause zum Erholen braucht, weil die Orte überfüllt sind oder weil die Wasserqualität beeinträchtigt ist.
„Seien wir ehrlich, der Besuch solcher Orte führt selten zu glücklichen Reisenden. Es ist frustrierend, sich durch Städte voller Touristen zu bewegen; Besichtigungen von Städten, in denen die Einheimischen Ihre Anwesenheit ablehnen, sind verstörend; und durch die mit Müll übersäte Natur zu wandern, ist deprimierend“, schreibt „Fodor’s“.
Wir stellen dir die elf Orte vor, die du 2025 lieber nicht besuchen solltest:
Bali ist für viele Menschen ein Traumreiseziel. Wunderschöne Strände, beeindruckende Bauwerke, malerische Natur und eine gastfreundliche Kultur, in der sich viele Menschen direkt wohlfühlen, locken jedes Jahr Millionen Reisende auf die Insel. Und genau das ist laut „Fodor’s“ das Problem, denn „eine durch den Overtourism vorangetriebene schnelle und ungebremste Entwicklung greift in Balis natürliche Lebensräume ein, zerstört das ökologische und kulturelle Erbe der Insel und führt zu einer Plastik-Apokalypse“, fasst das Magazin die Situation auf Bali zusammen.
2023 kamen laut dem Zentralamt für Statistik der Provinz Bali rund 5,3 Millionen Touristinnen und Touristen auf die Insel. Im ersten Halbjahr 2024 stieg die Zahl der Besucherinnen und Besucher im Vergleich zum vorherigen Jahr noch mal um 22 Prozent. Diese Zunahme des Reiseverkehrs belaste die Insel immer mehr. Einst unberührte Strände wie Kuta und Seminyak seien heute unter Müllbergen begraben, und die lokalen Abfallentsorgungssysteme kommen laut „Fodor’s“ kaum hinterher. Jedes Jahr gelangen 33.000 Tonnen Plastik in Balis Flüsse, an Balis Strände und in die Meeresumwelt. Sie stellen eine ernste Bedrohung für die Ökosysteme der Insel dar.
Ein Mitarbeiter des WWF sagt dazu: „Ohne erhebliche Eingriffe laufen wir Gefahr, dass einige der wertvollsten Naturgebiete Balis ganz verschwinden.“ Doch nicht nur die Natur Balis sei gefährdet, damit einhergehend ist natürlich auch das Alltagsleben der Einheimischen auf der Insel betroffen. „Es ist auch wichtig, über die Qualität des Alltagslebens der Bewohner nachzudenken, da dies oft zu Problemen wie höheren Lebenshaltungskosten, Lärmbelästigung und Verkehrsstaus führt, was auf Bali bereits der Fall ist“, mahnt Marta Soligo vom William F. Harrah College of Hospitality der University of Nevada in Las Vegas.
Auf lange Sicht könnte das auch dazu führen, dass die berühmte Gastfreundschaft der Menschen auf Bali gegenüber Touristinnen und Touristen abnimmt. „Ohne Veränderung riskieren wir mehr als nur die schöne Landschaft – wir laufen Gefahr, unsere kulturelle Identität selbst zu verlieren“, befürchtet Kristin Winkaffe, eine Expertin für nachhaltiges Reisen mit Schwerpunkt Südostasien. Genau dieser Konflikt zwischen Einheimischen und Urlauberinnen und Urlaubern zeigt sich beim nächsten Punkt auf der „No List“.
Hierbei handelt es sich nicht um eine klar definierbare Destination, aber viele Menschen dürften 2024 die heftigen Proteste gegen den Massentourismus mitbekommen haben. Besonders in den beliebten spanischen Destinationen gingen die Menschen immer wieder auf die Straßen, um sich zu wehren. In Barcelona beispielsweise bespritzten wütende Menschen Reisende mit Wasserpistolen. Auf Mallorca und den Kanarischen Inseln demonstrierten Zehntausende Menschen mehrfach gegen die Folgen des Overtourism in ihrer Heimat. Aber auch in Italien gab es Proteste, zum Beispiel in Venedig, das 2023 noch auf der „No List“ stand. Viele der sehr gefragten Städte in Italien haben mittlerweile Maßnahmen gegen den Massentourismus beschlossen.
Laut der European Travel Commission war die Zahl der Touristinnen und Touristen allein im ersten Quartal 2024 um 7,2 Prozent höher als im Vergleichszeitraum 2019. Das führe an immer mehr Orten zu erhöhten Lebenshaltungskosten und überbelasteter Infrastruktur. Viele Einheimische würden sich dort in ihrer Existenz bedroht sehen, so seien schätzungsweise mittlerweile 60 Prozent der Wohnungen in Lissabon Ferienwohnungen. Die Stadt gilt bereits als weltweit drittteuerste Stadt zum Leben. In Barcelona gibt es über 10.000 lizenzierte Ferienwohnungen, die Mieten sind in den letzten Jahren um 68 Prozent gestiegen. Bis 2028 will die Stadt alle Lizenzen für Kurzzeitvermietung widerrufen, was vielen Einheimischen jedoch nicht schnell genug geht.
Besonders bemerkenswert sind diese Entwicklungen, wenn man bedenkt, wie wichtig der Tourismus für viele dieser europäischen Ziele ist. Auf den Kanaren macht die Tourismusbranche 35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. In Barcelona wurden durch den Tourismus 9,6 Milliarden Euro erwirtschaftet. Trotzdem rät „Fodor’s“ dazu, diesen Destinationen im Jahr 2025 eine Pause zu gönnen. Besser würde es in Europa übrigens derzeit schon Amsterdam machen, die Stadt hat Hochseekreuzfahrtschiffen das Anlegen verboten und will die Anzahl der Flusskreuzfahrten bis 2028 halbieren. Außerdem wurde die Zahl der Ferienwohnungen in der Stadt um 30 Prozent reduziert und der Bau neuer Hotels wurde mit sofortiger Wirkung verboten.
Ob das am Ende ausreichen wird, bleibt abzuwarten, aber es ist „Fodor’s“ zufolge ein Schritt in die richtige Richtung.
Palmengesäumte weiße Sandstrände und Luxusresorts direkt am türkisfarbenen Wasser machen die thailändische Insel Koh Samui zu einem Traumreiseziel vieler. Doch seit einiger Zeit kämpft das touristische Paradies mit ernsten Problemen: bei der Wasserversorgung der Insel und wie auf Bali bei der Müllentsorgung. So würden derzeit 200.000 Tonnen Müll auf einer Deponie außer Sichtweite der Touristenattraktionen und Luxusvillen lagern. Eine Lösung für die Entsorgung gibt es nicht, sagt Wijarn Simachaya, Präsident des Thailand Environment Institute. Und so würden besonders durch den Tourismus derzeit täglich 180 bis 200 Tonnen neuer Abfall anfallen. Wenn es zu viel wird, wird ein Teil des Mülls derzeit per Schiff auf das Festland transportiert.
Auch die Wasserversorgung ist problematisch. Schon für 2024 stand Koh Samui auf der „No List“, damals war ein Grund, dass 70 Prozent der Wasservorräte laut „Fodor’s“ allein von Touristinnen und Touristen verbraucht würden. Hinzu komme, dass es auch keinen vernünftigen Umgang mit Abwasser gebe. Eine Abwasseranlage auf der Insel würde wegen der Stromkosten nicht verwendet, stattdessen würden große Teile des Abwassers einfach ins Meer geleitet.
Hinzu kommt zunehmender Verkehr und eine Vielzahl an illegalen Bauten, wie Kannapa Pongponrat Chieochan von der Thammasat-Universität erklärt. Es werde zum Beispiel viel an Berghängen gebaut, ohne zu berücksichtigen, dass sich dadurch die Gefahr von Erdrutschen erhöht.
„Fodor’s“ befürchtet, dass 2025 auch der sogenannte „White Lotus“-Effekt zu einer Verschärfung der Situation führen könnte. Denn die beliebte HBO-Serie „The White Lotus“ wurde auf Koh Samui gedreht. Sollte dieser Effekt ähnliche Auswirkungen wie auf Sizilien haben, wäre das für Koh Samui problematisch. Nachdem die zweite Staffel der Serie auf der italienischen Insel gedreht worden war, stieg das Interesse an den gezeigten Städten um 50 Prozent.
Obwohl der „White Lotus“-Effekt auf Sizilien mittlerweile abgeflaut sein dürfte, steht die Insel auf der „No List“. Die Expertinnen und Experten von „Fodor’s“ befürchten, dass die Stadt Agrigent, die 2025 italienische Kulturhauptstadt wird, einen enormen Anstieg der Besucherzahlen erleben könnte. Allerdings kämpft die Region bereits jetzt mit einer extremen Wasserkrise. 2024 musste der Ort im Hochsommer teilweise Touristinnen und Touristen abweisen, da die Wasserversorgung nicht mehr gewährleistet werden konnte.
Sie findet in der Bergstadt schon immer auch über Lieferungen mit Tankwagen statt, doch der Klimawandel und die häufigen Dürreperioden der letzten Jahre haben die Situation in Agrigent verschlimmert. Schon seit Jahren wird laut „Fodor’s“ über eine Modernisierung des Wassersystems gesprochen, allerdings sei bisher wenig unternommen worden. Durch die Entwicklung sind auch die historischen und kulturellen Stätten von Agrigent gefährdet. Denn das berühmte Tal der Tempel – ein Grund, warum die Stadt gern besucht wird – sei in die Agrarlandschaft der Region eingebettet. Die anhaltende Dürre hätte somit auch Auswirkungen auf die archäologischen Stätten.
Große Hotelketten auf Sizilien haben sich in diesem Sommer Wasser vom Festland liefern lassen, aber gerade für die kleinen Pensionen sei die Situation bedrohlich. Die lokalen Behörden haben versprochen, kurz- und langfristige Strategien für eine Lösung des Problems auszuarbeiten. Es geht etwa um die Reaktivierung stillgelegter Brunnen, außerordentliche Wartungsarbeiten an bestehenden Staudämmen und den Bau neuer Entsalzungsanlagen. Außerdem soll ein riesiges unterirdisches Wasservorkommen angebohrt werden, wie Giuseppe Abbate, Professor für Stadtplanung an der Universität von Palermo, erklärt.
Ob das schnell genug hilft, bleibt jedoch abzuwarten. Seit Februar 2024 besteht für Agrigent offiziell Wassernotstand, und dieser gilt noch bis zum Jahresende. Im Sommer wurden Wasserrationierungen eingeführt, Einheimische mussten ihren Wasserverbrauch teilweise um 45 Prozent reduzieren, was bereits zu Protesten führte. „Die Bevölkerung vor Ort ist erschöpft vom anhaltenden Wassermangel und der ineffizienten Verwaltung der Wasserressourcen und hat beschlossen, auf die Straße zu gehen, um ihre Stimme zu erheben und ein dringendes Eingreifen der zuständigen Behörden zu fordern“, berichtet Cartello Sociale di Agrigento, eine lokale Organisation von Gewerkschaften und Kirchenbehörden.
Aus diesem Grund rät „Fodor’s“ dazu, Agrigent trotz des Jahres als italienische Kulturhauptstadt 2025 lieber eine Pause zu gönnen.
„Ich hatte einen Kunden für den Everest, der noch nie zuvor Schnee gesehen hatte, und es war meine Aufgabe, ihn auf den Gipfel zu bringen“, erzählt Badal, ein nepalesischer Bergführer. Er bringt Touristinnen und Touristen ohne Bergerfahrung für viel Geld auf den Mount Everest. Der höchste Berg der Welt ist mittlerweile ein beliebtes Ziel für Abenteuerreisende geworden, die sich ihre Ausrüstung von trainierten Einheimischen den Berg hinaufschleppen lassen. Laut „Fodor’s“ birgt es für die Sherpas jedoch ein hohes Verletzungs- oder gar Todesrisiko, wenn ihre Kundinnen und Kunden unerfahren sind.
In den letzten 25 Jahren hat sich die Zahl der Reisenden mehr als verdoppelt, heute besuchen jährlich rund 58.000 Menschen den Sagarmatha-Nationalpark in Nepal, in dem der Mount Everest liegt. Das hat auch Auswirkungen auf das Leben der Einheimischen rund um den Berg. Aus Häusern, die einst landwirtschaftliche Betriebe in Selbstversorgung waren, wurden immer mehr Teehäuser und Hotels für Abenteuersuchende. Außerdem führt die Zahl an Menschen zu immer größeren Müllmengen. Es wird geschätzt, dass auf den Hängen des Berges rund 30 Tonnen Müll und eine riesige Menge an menschlichen Exkrementen liegen, die Situation ist mittlerweile so schlimm, dass Maßnahmen dagegen getroffen werden müssen.
„Die Umwelt in der Everest-Region ist zu empfindlich und kann so viele Menschen nicht verkraften, vor allem nicht ohne die richtige Infrastruktur“, sagt Tara Datt Joshi, Managerin von KEEP, einer Organisation für nachhaltigen Tourismus. Zumal das Erlebnis Mount Everest bei all dem Müll und den Menschenmassen auch kein schönes mehr sei, so Amit Khadka, ein ehemaliger Bergführer.
Zwar habe der Tourismus viele neue Beschäftigungsmöglichkeiten und eine bessere Lebensqualität gebracht, trotzdem sind sich die meisten Menschen vor Ort einig, dass eine Begrenzung der Zahl an Besucherinnen und Besucher nötig sei, berichtet „Fodor’s“. Anzeichen für einen Rückgang des Tourismus gibt es bisher jedoch nicht. Im Jahr 2023 erteilte die nepalesische Regierung eine Rekordzahl von 487 Genehmigungen für die Besteigung des Mount Everest. Und Rakesh Gurung, der Leiter der Bergsteigerabteilung des Tourismusministeriums, sagt: „Wir würden gern mehr Menschen in dieser Gegend willkommen heißen.“
Die Verantwortlichen scheinen keine Begrenzung des Mount Everest-Tourismus zu planen, vielleicht also Zeit, sich selbst in die Verantwortung zu nehmen und dem größten Berg der Welt eine Ruhepause zu gönnen.
Die Britischen Jungferninseln sind eine Inselgruppe in der Karibik östlich von Puerto Rico und der Dominikanischen Republik. Traumstrände und überwältigende Natur locken jedes Jahr Hunderttausende Menschen an, die meisten davon kommen mit dem Kreuzfahrtschiff. Mittlerweile machen diese Reisenden 72 Prozent der 683.000 Touristinnen und Touristen aus, die das Inselparadies im ersten Halbjahr 2024 besucht haben – ein Anstieg um 17 Prozent gegenüber 2023 und ein Besucherrekord.
Die Zahl der Übernachtungsgästinnen und ‑gäste ist jedoch wesentlich geringer. Im Jahr 2017 waren es noch 243.000 Menschen, aktuell sind es rund 24 Prozent weniger. Ein Problem, das viele Kreuzfahrtdestinationen auf der Welt haben. Die Touristinnen und Touristen geben vor Ort wenig Geld aus, weil sie größtenteils auf dem Schiff versorgt werden.
Die bestehende Infrastruktur leide unter den Menschenmassen, die die Kreuzfahrtschiffe regelmäßig auf den Inseln abladen. Auch seien fehlende Investitionen ein Problem: So sei eine Kläranlage, die 2017 durch einen Hurrikan beschädigt wurde, erst Anfang 2024 nach zahlreichen Verzögerungen wiedereröffnet worden. Auch die Korallenriffe der Britischen Jungferninseln seien durch den Kreuzfahrttourismus einer zusätzlichen Belastung ausgesetzt. Bestehende Schutzmaßnahmen würden kaum umgesetzt, eine Umweltabgabe von 10 Dollar pro Reisenden werde nicht immer für den Schutz des Ökosystems eingesetzt.
Das Fehlen einer umfassenden Tourismusstrategie, die den Umweltschutz und die Nachhaltigkeit für die lokale Bevölkerung berücksichtigt, ist laut „Fodor’s“ ein Grund zur Sorge und vielleicht ein Anlass, besonders eine Kreuzfahrt zu den Britischen Jungferninseln zu überdenken.
Kerala an der Südküste Indiens lockt mit palmengesäumten Stränden, glasklarem Wasser und seinem tropischen Charme jedes Jahr Millionen Menschen an. 2023 waren es fast 22,5 Millionen – wobei davon nur rund 650.000 Reisende aus dem Ausland kamen. Für 2024 werden noch höhere Zahlen prognostiziert. Das spült natürlich eine Menge Geld nach Kerala, doch die einst unberührte Landschaft leidet. „Die Regierung scheint auf einer blinden Werbetour zu sein und keine regulierende Kontrolle über das Wachstum des Tourismus zu haben. Dies ist mittlerweile eine katastrophale Situation“, so Umweltschützer Sridhar Radhakrishnan zu „Fodor’s“.
Für die Menschen in Kerala habe das mittlerweile spürbare und tödliche Folgen. Im Juli 2024 kam es zu gewaltigen Erdrutschen, die in den Dörfern Mundakkai und Chooralmala zu 400 Todesopfern geführt hätten. Laut „Fodor’s“ hätten vorher zahlreiche Berichte vor den Umweltschäden und ihren Folgen durch den Overtourism in Kerala gewarnt, sie seien jedoch ignoriert worden. Zwischen 2015 und 2022 ereigneten sich 60 Prozent der 3782 Erdrutsche Indiens im Bundesstaat Kerala.
„Mundakkai und die Nachbardörfer haben in den letzten fünf Jahren einen rasanten Tourismusanstieg erlebt, getarnt als Ökotourismus, mit Abenteuerinitiativen, Glasbrücken, Privatunterkünften und anderen Erholungsprojekten“, sagt Radhakrishnan. „Dieser Anstieg fand an einem Ort statt, der eine erdrutschgefährdete Zone und ein ökologisch sensibles Gebiet ist. Hier herrscht eindeutig Overtourism, und es gibt fast keine Regulierung der Bautätigkeit in sensiblen Zonen.“
Auch eine der Hauptattraktionen Keralas zeigt sichtbare Spuren durch die Menschenmassen: Der Vembanad-See, eines der größten Feuchtgebietsökosysteme Indiens, wird durch die Verbreitung von Hausbooten und Resorts zusätzlich bedroht. Abwasser werde direkt in den See eingeleitet, seitdem seien die Fischbestände drastisch zurückgegangen und die Gesundheit des Ökosystems habe sich verschlechtert. Die Zerstörung des Ökösystems des Sees bedrohe außerdem das Leben und die Lebensgrundlagen von über acht Millionen Menschen, wie eine Studie des Centre for Aquatic Resource Management and Conservation in Kerala ergab.
Keralas Tourismusminister P.A. Mohammed Riyas hat mittlerweile eingeräumt, dass der Massentourismus ein Problem in Kerala ist. 2025 sollen mehrere Projekte für umweltfreundlichen Tourismus starten – vielleicht ist es trotzdem an der Zeit, Kerala einen Moment der Ruhe zu gönnen.
In Japan gibt es mittlerweile eine eigene Bezeichnung für das Phänomen der Verschmutzung von Orten durch den Tourismus. Der Begriff „Kankō kōgai“ taucht immer öfter auf und zeigt, dass der Ärger der Einheimischen in Japan über die Touristenflut zunimmt. Besonders problematisch ist die Situation „Fodor’s“ zufolge in den Großstädten Kyoto und Tokio. Allein im Juli 2024 seien 3,2 Millionen Menschen nach Japan gereist – ein neuer Rekord. Dazu trägt auch der schwache Yen bei, der es ausländischen Reisenden ermögliche, Schnäppchen zu machen.
Mittlerweile gibt es an vielen Tourismushotspots Staukameras, ein Gepäckauslieferungssystem, damit das Gepäck der Reisenden nicht Busse und Züge verstopft, getrennte Bushaltestellen für Einheimische und Reisende sowie Hinweisschilder, die davor warnen, Privatstraßen zu betreten oder in private Häuser zu fotografieren.
Ein weiteres Problem ist der Anstieg der Inlandsreisepreise. Die Verantwortlichen in Japan ergreifen bereits Gegenmaßnahmen: Die Kosten der nur für Ausländerinnen und Ausländer vorgesehenen Shinkansen-Bahnkarte stiegen im vergangenen Jahr um bis zu 77 Prozent, der Eintritt zu Touristenattraktionen kostet Einheimische mittlerweile zum Teil nur ein Viertel des Preises als Touris, und am berühmten Fuji wurden eine Obergrenze sowie eine neue Gebühr für Wandernde eingeführt.
„Fodor’s“ weißt zwar darauf hin, dass nicht alles in Japan überlaufen sei – der Tourismus trägt auch dazu bei, einige sterbende Dörfer wiederzubeleben –, doch Touristenmassen dürften nicht immer zu denselben großen Zielen strömen. „Japan ist ein wunderschönes Land und es gibt so viel mehr als Tokio, Osaka, Kyoto und Hiroshima“, sagt Wanping Aw, Geschäftsführerin des Reisebüros TokudAw Inc.
Ähnlich wie in Japan und einigen europäischen Städten gibt es auch in Oaxaca, der Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates in Mexiko, immer mehr Proteste gegen den Massentourismus. „Die Einwohner Oaxacas beklagen, dass ihre Kultur und Bräuche kommerzialisiert werden, was zu großen Wohlstandsunterschieden und Umweltzerstörung führt“, beschreibt „Fodor’s“ die Situation.
In Oaxaca ist der Tourismus seit 2020 um bemerkenswerte 77 Prozent gestiegen, was vermutlich auch mit den lascheren Regeln Mexikos während der Covid-Pandemie zusammenhängt. Der Massentourismus führe jedoch zu einem extremen Anstieg der Mieten und zu einer Verdrängung langjähriger Bewohnerinnen und Bewohner. Das historische Zentrum ist voll von malerischer Kolonialarchitektur und gehört seit 1987 zum Weltkulturerbe der Unesco. Wo früher Einheimische lebten, sind heute Geschäfte, Feinkostrestaurants und touristische Unterkünfte zu finden. In der Stadt gab es im letzten Jahr allein rund 5000 Airbnb-Wohnungen, in denen eine Nacht je nach Lage rund 70 Euro kosten kann.
Dass Schottland auf der diesjährigen „No List“ auftaucht, liegt an einer besonders schönen Roadtrip-Route. Die North Coast 500 (NC 500), eine Küstenschleife durch die North Highlands von Schottland, lockt seit 2015 zahlreiche Menschen an. Das werde laut „Fodor’s“ zur Plage für die Anwohnerinnen und Anwohner und zu einer Bedrohung für die Umwelt.
Außerdem ist wildes Camping auf dem NC 500 ein großes Problem. Denn ein Mangel an angemessenen Einrichtungen wie Campingplätzen, Toiletten und ausgewiesenen Bereichen für Chemieabfälle sorge dafür, dass die Touristinnen und Touristen an Stränden, in Haltebuchten und sogar auf Privatgrundstücken stünden und dort Brandflecken von Lagerfeuern, Müll, Einweggrills und sogar menschliche Fäkalien hinterließen.
Seit 2018 ist die Route im Privatbesitz eines Milliardärs, die Strecke erwirtschaftet Berichten zufolge jährlich bis zu 27,5 Millionen Euro. Aus diesem Grund scheint die schottische Tourismusbranche auch an einem Erfolg interessiert zu sein. „Über den Rural Tourism Infrastructure Fund haben wir 20 Millionen Pfund an Fördermitteln der schottischen Regierung an 75 Projekte in ganz Schottland verteilt, um die Auswirkungen der Besucher auf die lokale Infrastruktur und die Gemeinden zu verringern. Dazu gehören die Bereitstellung von Parkplätzen, öffentlichen Toiletten und Wohnmobilstellplätzen entlang der NC 500“, erklärte ein Sprecher.
Die Einheimischen sind jedoch eher skeptisch, da die Programme darauf bauen, dass Touristinnen und Touristen ihr eigenes Verhalten kontrollieren. Sie hätten lieber Ranger, die auf der Route patrouillieren und Vorfälle überwachen sowie persönlich mit den Reisenden sprechen. Ein Einheimischer fordert gegenüber „Fodor’s“ sogar Bußgelder in Höhe von mehreren Hundert Pfund. Auch für die beliebte Roadtrip-Route empfiehlt „Fodors’s“, über einen Verzicht nachzudenken, damit sich dort ein für alle Beteiligten akzeptabler Weg finden lässt.
Rovaniemi steht bisher noch nicht auf der offiziellen No-List von „Fodor‘s“, das könnte sich aber bald ändern. Denn die Stadt in Finnland, die sehr offensiv als Heimat des Weihnachtsmannes angepriesen wird, hat durch den Andrang von Touristinnen und Touristen aus aller Welt mittlerweile mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie die typischen Massentourismusdestinationen. Für den Winterflugplan 2024/25 wurden alleine in Europa 13 neue Flugverbindung nach Rovaniemi aufgenommen. Mehrmals wöchentlich bringen die Airlines Besucherinnen und Besucher in den Ort und die meisten wollen den Weihnachtsmann treffen.
Rund 1,2 Millionen Reisende seien es im Jahr 2023 gewesen, das ist ein Anstieg um fast 30 Prozent. Die Straßen des sonst malerischen Ortes sind zur Winterzeit voll mit Touristinnen und Touristen, die teilweise stundenlang für einen Besuch beim Weihnachtsmann anstehen. Doch in Rovaniemi leben auch Einheimische – rund 65.000 – und die sind von dem zunehmenden Trubel, den ihre Heimat erfährt gar nicht so angetan. „Wir sind besorgt über das Überhandnehmen des Tourismus“, zitiert das Newsportal „ntv“ Antti Pakkanen, Mitglied eines Wohnungsnetzwerks, das bereits im September gegen die Situation demonstrierte. „Der Tourismus ist so schnell gewachsen, er ist außer Kontrolle“, erklärt Pakkanen.
Neben den nervenden Menschenmassen sind es aber auch ganz reale Probleme, die der Hype den Einheimischen bereitet. Denn immer mehr Wohnungen in Rovaniemi werden zu Unterkünften für Touristinnen und Touristen umgewandelt, die Situation auf dem Wohnungsmarkt habe sich dadurch massiv verschlechtert.
Rovaniemi gehört sicherlich noch nicht zu dem typischen Massentourismus zielen, trotzdem sollten sich Reisende genau überlegen, ob die festliche Stimmung in überfüllten Straßen wirklich noch gegeben ist oder ein Besuch bei einem Weihnachtsmannschauspieler mehrere Stunden anstehen rechtfertigt. Zumal es übrigens auch andere Weihnachtsmanndörfer auf der Welt gibt, zum Beispiel in Island. Nach Hafnarfjörður kommen sogar 13 isländische Weihnachtsmänner.
Was müssen Reisende aktuell wissen? Alle wichtigen News für den Urlaub findest du beim reisereporter, die aktuellsten Reiseangebote auf unserer Deal-Seite.
2025-01-20T14:47:22Z